8. Juli — 21. August 2023


Anomalien — Shaotong He

In einer Welt, wo das Vorhersehbare beruhigend und das Definierte wohl bekannt ist, was geschieht, wenn Anomalien in den Fokus treten? Was passiert, wenn sie nicht nur mit uns koexistieren, sondern auch unsere Realität durchdringen, unsere Wahrnehmung in Frage stellen und uns herausfordern, uns mit dem Unbestimmten auseinanderzusetzen? Die aktuelle Ausstellung Anomalien im Böblinger Kunstverein nimmt sich genau dieser Fragestellung an und zieht ihre Inspiration aus den unbekannten Zonen, wie sie in Arkadi und Boris Strugatskys Buch Roadside Picnic und Andrei Tarkovskys Film Stalker dargestellt werden.

Ähnlich wie die Stalker – Arbeiter, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um außerirdische Artefakte aus den mysteriösen Zonen zu bergen – taucht der vorgestellte Künstler Shaotong He in das Unbestimmte und Anomale unserer Realität ein. Für ihn ist Arbeit eine physische Notwendigkeit, die von äußeren Umständen beeinflusst wird. Doch intrinsische Motivation und Überzeugung entstammen persönlichen Sehnsüchten, wie im Film Stalker, in dem die Charaktere die Zone betreten, um ihren innersten Wünschen nachzugehen. Die präsentierten Arbeiten spiegeln die Bestrebungen der Stalker wider: eine Mischung aus Wagnis, Neugier und dem Wunsch, die Erträge ihrer Unternehmung zurück in die definierte Welt zu bringen. Ansporn der gezeigten Projekte ist es, verborgene oder gelegentlich übersehene Anomalien in der Realität zu entdecken und sie miteinander in Einklang zu bringen. 

Die Zonen, so wie sie in Roadside Picnic beschrieben und in Stalker visualisiert werden, verkörpern das Wesen der Anomalien. Sie trotzen unserem traditionellen Verständnis der physikalischen Gesetze und manifestieren sich als Anomalien von Gravitation, Dichte, Temperatur und Raum. Hierbei steht die grundlegende Frage im Mittelpunkt: Ist Arbeit eine Form von künstlich erzeugter Dringlichkeit.

Anomalien ist ein Spiel mit dem Unbestimmten, dem Unerforschten, dem Anomalen in der Realität; dem Normalisierten und dem noch Unentdeckten; dem, was wir oft als Selbstverständlichkeiten annehmen. Es ist ein Artefakt der Arbeitenden, die sich, wie die Stalker, ins Unbekannte wagen und mit Bruchstücken des Unergründlichen zurückkehren.

Shaotong He

1990 — Geboren in Beijing, China. Lebt und arbeitet in Stuttgart

2012 — Bachelor im Studiengang Malerei, Academy of Art & Design, Tsinghua University, Beijing, China

2019 — Diplom im Studiengang Bildende Kunst, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

http://he-shaotong.com